Tag der Geschwister: zwei Schwestern

Meine Schwester Uschi und ich
Uschi war unser Nesthäkchen. Sie kam fast sieben Jahre nach mir auf die Welt. Mein älterer Bruder und ich wurden erst zwei Jahren später darüber aufgeklärt, dass Uschi das Down Syndrom hat. Wir sollten erst eine unbefangene Beziehung zu ihr aufbauen. Und das hat gut geklappt. Heute könnte man das nicht mehr geheim halten. Aber damals, Ende der 60er Jahre, gab es noch keine Frühförderung, keine Therapien und auch noch keine „Lebenshilfe“ in unserem Leben.
Uschi war süß mit ihren dicken Backen und immer zu Späßen aufgelegt. Auch wenn ich spürte, dass meine Mutter sehr stark belastet war, war Uschi ein selbstverständlicher Teil der Familie. Was mich damals „genervt“ hat war, dass man sie nie allein lassen konnte, auch später nicht. So mussten mein Bruder und ich öfter „Kindsmagd“ machen, vor allem am Freitagnachmittag, wenn meine Eltern zum Einkaufen fuhren und ich gerne mit meinen Freundinnen draußen gespielt hätte.
Wir hatten Glück: Uschi war eines der ersten Kinder, die damals in die SVE und die Tagesstätte aufgenommen wurden. Meine Eltern waren sehr dankbar für diese Entlastung und die Förderung, die meine Schwester damit bekam. Für meine Eltern war es damals selbstverständlich, sich in dem Elternverband „Lebenshilfe“ zu engagieren. Mein Vater hat sogar einige Jahre für die „Lebenshilfe“ gearbeitet. Erst als Busfahrer, dann als Gruppenleiter in der Werkstatt.
Je älter ich wurde, umso mehr faszinierte mich meine Schwester. Uschi war und ist einfach so wie sie ist. Ihr „So-sein“ hat mich begeistert. Sie will geliebt und umarmt werden. Sie verstellt sich nicht, sie richtet sich nicht danach, was andere von ihr erwarten könnten, ob andere sie toll finden. All das, was mich damals in der Pubertät und frühen Erwachsenenzeit so umgetrieben hat, war ihr fern. Das hat mich beeindruckt. Und diese Faszination hat mich dazu gebracht Sonderpädagogik zu studieren und Sonderschullehrerin zu werden.
Als meine Eltern nacheinander starben, übernahm ich die Betreuung für meine Schwester. Meine Eltern hatten das nie von mir oder meinem Bruder erwartet. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Ich konnte mich freiwillig dafür entscheiden. Seit vielen Jahren wohnt Uschi nun schon im Wohnheim Luxdorfer Weg und fühlt sich dort sehr wohl und aufgehoben. Genauso wichtig ist die Werkstatt für sie.
Seit zwei Jahren bin ich nun auch Mitglied der „Lebenshilfe“. Ich weiß nicht, warum ich erst so spät darauf gekommen bin. Der Bundesverband, aber auch die „Lebenshilfe Ostallgäu“ hat in den letzten Jahrzehnten so viele wichtige Hilfen für Menschen mit einer geistigen Behinderung auf den Weg gebracht und für Uschi so viel getan. Und das möchte ich weiter unterstützen, auch im Sinne meiner Eltern.
Bilder: Stefanie Giesder
Weitere Artikel
Aus der Kategorie: